Es ist einfach „nur“ teuflisch,
diese Forderung der FeministenInnen und Abtreibungslobbyisten:
Ermorden von Menschen vor ihrer Geburt
soll Frauen- und MenschenRecht werden,
für das auch noch straffrei geworben werden kann.
Morden von Menschen,
(egal ob vor oder nach ihrer Geburt)
ist immer UNRECHT
und
kann niemals RECHT werden.
Das vorsätzliche „Zu-Tode-bringen“ eines
unschuldigen Menschen nennt man MORD!
Thomas Fischer, ehemaliger Vorsitzender Richter am
2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs,
zum § 219a StGB
Noch eine Verwirrung: Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. aus Gießen hat sich 2017 für das so genannte reproduktive Selbstbestimmungsrecht – ein universales Recht, das oberhalb des Menschenrechts angesiedelt ist – geopfert und demonstrativ wegen eines vorsätzlichen Vergehens der unerlaubten Werbung für Schwangerschaftsabbruch, Paragraf 219a StGB, zu einer Geldstrafe verurteilen lassen. Die Vorschrift führte seit 23 Jahren ein medial und praktisch verborgenes Leben, ohne dass wesentliche Freiheitseinschränkungen zu beklagen waren. § 219a besagt – ich erwähne dies nur vorsorglich für den Fall, dass jemand noch keine Gelegenheit hatte, den Text zu lesen – im Kern, dass es verboten ist, öffentlich oder durch Schriften eigene Dienste zur Leistung von Abtreibungen anzubieten, wenn man dies aus Vermögensinteresse (Geldverdienen) oder in grob anstößiger Form tut.
Frau H. steht nun symbolisch an der Spitze einer Kampagne, die sich unter Bannern wie „No § 219a, No § 218!“ versammelt. Die neue Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat sich sogleich des dringenden Themas angenommen. Die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei SPD hat der christlich-jüdischen Abendlandspartei CDU ein „Ultimatum“ gestellt, wonach bis September 2018 eine „Reform“ der Vorschrift zu erfolgen habe. Parallel dazu hat ein „Verbändebündnis“ einen so genannten Offenen Brief unter der Forderung: „Heben Sie den § 219a StGB auf!“ an die Bundesregierung geschrieben. Diesem Bündnis gehören auch an: Bündnis 90/ die Grünen, DGB Frauen, Deutscher Juristinnenbund, Arbeiterwohlfahrt und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen.
Schon aus der Besetzungsliste ergibt sich also, dass jede Mahnung zur Mäßigung – geschweige denn Kritik – ein Himmelfahrtskommando sein muss.
Um der Wahrheit willen muss es aber doch noch einmal versucht werden.
Es ist nämlich so, dass die Kampagne Ideologie statt Wahrheit verbreitet und den Kern der (angeblichen) Sache verfehlt.
So etwas sollten Organisationen nicht tun, die sich Aufklärung, Liberalität und sozialen Fortschritt auf die Fahnen schreiben.
Das Verbändebündnis hat unter anderem formuliert: „Wir fordern Sie auf, Frauen freien Zugang zu sachlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zu gewähren. (Zum Recht auf) reproduktive Selbstbestimmung gehört neben dem Informationsrecht auch das Recht auf freie Wahl einer Ärztin bzw. eines Arztes. § 219a StGB schränkt diese Rechte wesentlich ein ( ) § 219a StGB erschwert Schwangeren den freien Zugang zu sachlichen Informationen über die konkreten Möglichkeiten eines Abbruchs ( ) Wir fordern, dass Ärztinnen und Ärzte ohne Risiko vor Strafverfolgung darüber informieren dürfen, wie, wo und durch wen straflose Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Frauen benötigen einen niedrigschwelligen Zugang zu sachlichen Informationen eines Schwangerschaftsabbruchs sowie über Ärztinnen und Ärzte in erreichbarer Nähe, die ihn ausführen.“
Hierzu ein paar kleine Hinweise:
Weder Frau H. aus Gießen noch sonst irgendjemandem in Deutschland ist es verboten, Informationen über Abtreibungen zu verbreiten. Niemand findet deshalb keine Hilfe oder Information, weil es nicht jedermann erlaubt ist, für Abtreibungen öffentlich Reklame zu machen.
Wer eine Abtreibung in Betracht zieht, wird sich in fast allen Fällen an einen Arzt oder eine Beratungsstelle wenden. An beiden Stellen bekommt man umfassende Auskunft. Wer sich für eine Abtreibung nach der „Beratungslösung“ entscheidet – bei den 102.000 jährlichen Abtreibungen ist dies in etwa 96 Prozent der Fälle so -, muss sowieso zu einer Beratungsstelle. Man kann sie sehr leicht finden.
Beratungsstellen sind verpflichtet, umfassend aufzuklären und auch Listen mit Adressen von Ärztinnen und Ärzten bzw. Institutionen vorzuhalten, die Abtreibungen durchführen.
Wer eine Abtreibung in Erwägung zieht, kann sich dort oder bei beliebigen Ärzten umfassend informieren und erfahren, wo Abtreibungen durchgeführt werden. Man kann auch direkt bei Ärztinnen oder Krankenhäusern anfragen oder seinen Hausarzt nach Anlaufstellen jeder Art fragen. All das hat mit § 219a StGB nichts zu tun.
Die Allgemeinärztin H. aus Gießen darf über Abtreibungen so viel informieren, wie sie will, auch öffentlich, in Versammlungen oder durch Schriften. Das einzige, was ihr durch § 219a verboten ist, ist der öffentliche Hinweis darauf, dass man bei ihr selbst (oder einer anderen konkret genannten Stelle) eine Abtreibung buchen kann. Wenn man telefonisch oder in der Sprechstunde danach fragt, darf sie selbstverständlich auch dies.
Mit „freier Arztwahl“ hat § 219a nichts zu tun. Jede Schwangere kann sich jede(n) beliebigen Arzt/Ärztin wählen. Viele bieten keine Abtreibungen an, manche tun es. Welche das sind, kann man leicht erfahren; niemand benötigt dafür die Homepage der Allgemeinpraxis H. aus Gießen. Wenn Frau H. die Werbung erlaubt wäre, würde hierdurch die freie Arztwahl um keinen Deut leichter oder freier.
Die eigentlichen „Implikationen“ der Kampagne liegen also nicht da, wo es behauptet wird. Sie verbergen sich im unscheinbaren Wörtchen „konkrete“ (Möglichkeiten) des „Offenen Briefs“: Damit ist ausschließlich die „konkrete“ Werbung gemeint – die Forderung nach Freiheit für „sachliche Information, wie“ Abtreibungen durchgeführt werden, dient nur zur Camouflage, denn sie ist bereits heute unbeschränkt erlaubt.
Es handelt sich also nicht um einen Streit über Information, sondern um einen Streit über Werbung. Werbemäßig, das muss man zugeben, war die milde Geldstrafe für Frau Dr. H. die bestmögliche Investition. Mehr als eine wochenlange Dauerpräsenz in der Presse und eine Rolle als Märtyrerin einer Befreiungsbewegung kann kein Dopingarzt, kein Reproduktionsmediziner und kein Körperoptimierer für so wenig Geld kriegen. Insoweit also nicht schlecht gelaufen.
Die Forderung nach „Streichung von § 219a“ ist Unsinn oder irreführend. „Grob anstößige Werbung“ wollen vermutlich selbst die härtesten Reproduktionsbefreier nicht, denn man kann nicht ernsthaft verlangen, dass Großplakate geklebt oder Anzeigen geschaltet werden dürfen wie: „Schwanger – das muss nicht sein!“ oder: „Abtreibung einmal anders – Vier Tage Hochschwarzwald“.
Glauben Sie nicht, dass nicht irgendwer auf solche Ideen kommen würde, wenn es Geld brächte! Aber auch unterhalb dieser der Fantasie anheimgestellten Ebene wären wohl Werbungen mit der „angenehmen Atmosphäre“, dem „luxuriösen Ambiente“ und ähnlichem Schnickschnack, wie es etwa bei plastischen Chirurgen inzwischen üblich ist, schwer vermittelbar.
Ergo: „Grob anstößige Werbung“ muss sowieso verboten bleiben. Dass das Standesrecht dazu ausreicht, kann bezweifelt werden. Standesorganisationen haben sich in der Vergangenheit nicht gerade dadurch hervorgetan, Missgriffe und Gesetzesübertretungen der Kolleginnen und Kollegen mit eisernen Besen zu verhindern. Und dadurch, dass ein Verbot nicht im StGB, sondern an anderer Gesetzesstelle stünde, würde das Verhalten ja auch nicht erlaubter. Das Verbot der Werbung ist, zugegebenermaßen, ein wenig symbolisch. Aber es wird nicht Nichts symbolisiert, sondern ein mühsam errungener Kompromiss über die faktische Freigabe der Abtreibung bei Vermeidung ihres öffentlichen kommerziellen Angebots. Das StGB wimmelt von „symbolischen“ Vorschriften, viele Unterzeichner des „Offenen Briefs“ haben oftmals immer neue gefordert.
Bleibt, am Grunde von allem, die Abtreibung selbst. Äußerst mühsamer Kompromiss vor 23 Jahren. Forderungen wie „Streichung von § 218 StGB!“ können nicht ernsthaft diskutiert werden: Ein Embryo ist kein Weisheitszahn; er hat eigene Menschenrechte. Eine Geburtenregulierung via Abtreibung kann man, vorerst, der prä-orwellschen Gesellschaft nicht vermitteln, mögen die Versprechen einer von Biologie befreiten Reproduktion noch so strahlend leuchten.
Und die andere Extremposition ist ebenso lebensverachtend: Weil sie zwar gut zu den Ungeborenen, aber gnadenlos zu den Geborenen ist, und es nicht ansatzweise schafft, ein glaubhaftes Modell sozialer Zugewandtheit und Zärtlichkeit zu präsentieren, welches den Hoffnungen und Begrenzungen des Menschseins gerecht würde.
Daher muss man einen Kompromiss finden. Die deutsche Gesellschaft hat ihn, wie auch immer, zwischen der erbärmlichen Reproduktionsindustrie des Stalinismus und der erbärmlichen Verleugnungsindustrie des Klerikalismus im Jahr 1995 hingebastelt. Er „funktioniert“ seither einigermaßen: 100-120.000 Abtreibungen im Jahr; auf 1000 Lebendgeburten kommen in Berlin 230, in Baden-Württemberg 90 Abtreibungen. Die Position, die von jeglicher Einschränkung freie Wegmachung von Reproduktionswucherungen für eine Bedingung menschlicher Befreiung zu halten, findet in der Gesellschaft keine Mehrheit. Die gern benutzte Behauptung, dass „keine Frau sich die Entscheidung leicht mache“, ist leider falsch. Es ist also, wie es ist.
Ergo: Ob auf Praxisschildern, Internetseiten und in Werbeanzeigen auf das Leistungsangebot „Abtreibungen“ hingewiesen werden darf, scheint mir selbst nicht wichtig. In anderen ethisch hochumstrittenen Bereichen – zum Beispiel Sterbehilfe – fordert allerdings niemand Werbefreiheit als Grundbedingung von Freiheit.
Zwei Fragen zum Schluss:
Gibt es Frauen, die nicht abtreiben konnten, weil es keine oder nicht genug Werbung für Abtreibung gab?
Und gibt es Ärztinnen und Ärzte, die nicht bereit sind, über Abtreibungen zu informieren, wenn sie nicht für die Abtreibungsleistung werben dürfen?
Das wären die ersten Fragen, die zu § 219a StGB gestellt werden müssten. Erst nach ihrer Beantwortung könnte man darüber diskutieren, ob und ggf. wie Abhilfe notwendig wäre. Der Rest ist „Stimmung“.
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/thomas-fischer-zu-karl-marx-219a-gewalt-a-1207274.html / 12. Mai 2018