Notorische Rechtsbrecher

§ 219a StGB:
Was wie eine Posse ausschaut, folgt in Wirklichkeit einem ausgeklügelten Drehbuch

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es ein Werbeverbot für Abtreibungen braucht, so wurde er spätestens jetzt erbracht. Am vergangenen Freitag verurteilte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten die beiden Ärztinnen Bettina Gaber und Verena Weyer, wegen des Verstoßes gegen den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch zu einer Geldstrafe von jeweils 2 000 Euro.
Die 56 und 52 Jahre alten Frauen hatten sich geweigert, den Satz:
„Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen“ von der Homepage ihrer Gemeinschaftspraxis zu entfernen.
Weil in einer freien und offenen Gesellschaft niemand gezwungen werden kann, mehr als eine Gehirnzelle in Betrieb zu nehmen, fehlte es anschließend auch nicht an Stimmen, die in diesem Satz gar keinen Verstoß gegen das Werbeverbot für Abtreibungen erblicken wollten.
Dabei kann es sich bei diesem schon deshalb nicht um seriöse Information handeln, weil die Abtreibungspille (siehe auch Seite 25) gar kein Medikament, sondern ein tödlich wirkendes chemisches Präparat ist.
Wäre es anders, wäre Schwangerschaft eine Krankheit und das ungeborene Kind ein Krankheitserreger, der bekämpft werden muss.
Damit nicht genug:
Angebliche „Informationen“ wie „narkosefrei“ und „in geschützter Atmosphäre“, haben denselben werblichen Charakter wie Mietofferten.
Nur dass bei ihnen – kontextbedingt – von „kautionsfrei“ und „in ruhiger Wohnlage“ die Rede wäre.

Weit gravierender aber als die geistlose Verteidigung des zu Recht inkriminierten Satzes ist, dass in vielen Kommentaren und Wortmeldungen wortreich beschwiegen wurde, dass beide Ärztinnen vorsätzlich handelten.
Der Staatsanwaltschaft, die anbot, das Verfahren einzustellen, wenn die Ärztinnen im Gegenzug den Satz von ihrer Homepage strichen, zeigten Gaber und Weyer die kalte Schulter und präzisierten den Rechtsbruch lediglich:
 „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch gehört zu den Leistungen von Frau Dr. Gaber.“
 

Was auf den ersten Blick wie eine in die Bundeshauptstadt verlegte Provinzposse anmutet, folgt in Wirklichkeit einem ausgeklügelten Drehbuch. Nach Kristiana Hänel (Gießen) , Nora Szasz und Natascha Niklaus (Kassel) haben mit Bettina Gaber und Verena Weyer (Berlin)
inzwischen fünf Ärztinnen mutwillig gegen das Werbeverbot für Abtreibungen verstoßen und um Verurteilung geradezu gebettelt. Die Prozesse und die den Ärztinnen Lorbeerkränze windende Berichterstattung sorgen dafür, dass die ehedem allenfalls regional bekannten Praxen der Ärztinnen bundesweite Berühmtheit erlangen. Preiswerter war Werbung nie. Dies gilt umso mehr, als die Abtreibungslobby und ihr politischer Arm, der vor allem bei SPD, Grüne und Linkspartei tiefe Wurzeln geschlagen hat, ihre Protagonisten nicht im Stich lassen und mit Ehrungen und Preisen geradezu überhäufen.

Dummheit mag auf den Magen schlagen. Eine freie, offene Gesellschaft kommt damit zurecht.
Was sie jedoch ins Mark trifft, ist der notorische Rechtsbruch. Wo also Abtreibungen vornehmende Ärztinnen, die vorsätzlich gegen das Werbeverbot für Abtreibungen verstoßen, als Heldinnen verehrt und öffentlich ausgezeichnet werden, dort wird einer freien und offenen Gesellschaft Gewalt angetan. Insofern leuchtet auch nicht ein, dass die Richterin bei der Zumessung des Strafmaßes deutlich unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten 7 500 Euro für jede der beiden Ärztinnen blieb.
Denn wo der Rechtsbruch hofiert und erschwinglich wird, dort ruft er Nachahmer auf den Plan.
(Artikel erschienen in der Tagespost am 21. Juni 2019 08:30 Uhr)

(Markierungn/Hervorhebungen von INW)